Trauer

Elfenkinder und Trauerlasten

Der Mensch ist ein Tragling, getragen werden ist seine Natur. Seit Jahrmillionen werden Menschenbabys getragen, normalerweise bis ins Alter von 2, 3, 4 Jahren oder länger. Wirklich schwer ist ein Kind in diesem Alter auch nicht, wenn da nicht der Tag der Diagnose wäre....

Vom dem Moment des Wissens an, dass bei unserem Kind der Genabschnitt MECP2 verändert ist, tragen wir schwer, wir tragen unser Kind und mit ihm die Last der Trauer, unsere Angst, unseren Schmerz. Wir tragen nicht unser Kind allein, wir tragen das ganze Rett-Syndrom in seiner absoluten Schwere. Es geht über unsere Kraft. Weit darüber.

Und doch, wir sind nicht allein auf dem Weg. Es sind viele die da tragen und Einer sagt: „Ich trage mein Elfenkind.“ Er trägt es leicht, wie schwerelos. Mit einem Lächeln in den Augen und Wärme im Herzen.

Wir staunen, wenn wir das doch könnten. Und er nimmt uns mit auf den Weg, wir gehen zusammen, wir beginnen zu verstehen. Und mit jedem Schritt wird es leichter, die Schwere fällt ab, wir sehen unser Kind so wie es ist, es ist unser Kind, ein Geschenk. Keine Strafe, keine Prüfung, wenn auch eine Aufgabe, eine ganz große. Und Liebe.

Und so tragen wir unsere Elfenkinder bis ans Ende des Weges.


* Nach den Gedanken von Herbert P. (+) mit Elfenkind Alexa

Idee Helga P.
Text Herta

Dicht unter der Oberfläche

17 Jahre ist das nun her, der Anruf des SPZ, ein Ergebnis vom Gentest müsse besprochen werden, die ernsten Gesichter, die Diagnose Rett-Syndrom für meine 3jährige Tochter.

Und 16 Jahre sind vergangen seit der zweiten Diagnose. Friedreich Ataxie festgestellt bei meinem 10jährigen Sohn.


Durch Höhen und Tiefen in diesen Jahren komme ich doch eigentlich gut zurecht. Im Großen und Ganzen ok, akzeptiert, verarbeitet. Das Leben geht weiter, die Schwerpunkte verschieben sich, gefühlte Normalität stellt sich ein.


An einem ganz alltäglichen Morgen liegt ein weißes Blatt Papier im Briefkasten. Adressiert an meine 20jährige Tochter.


„Mehr Mitsprache für die Jugend – Misch dich ein“ ist das Motto. Der 1. Bürgermeister und der Jugendreferent der Gemeinde laden die Jugend zu einem Infoabend, Grußwort vom Bürgermeister, Workshop in Arbeitsgruppen zur Themenfindung „Wo drückt der Schuh – welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?“ Ergebnispräsentation und kurze Beratung „Gründet ein Jugendparlament!“

Anschließend Jugendpartytreff.


Für einen Moment sehe ich sie vor mir, meine Tochter. Wie sie aufrecht und kerzengerade an einem Rednerpult steht. Mit blitzenden Augen, wehendem blondem Haar, wie sie argumentiert und das Wort führt, mit Gesten ihrer Meinung Nachdruck verleiht.

Ich sehe sie kichernd mit Freundinnen zusammenstehen auf der Party danach, Blicke zu den jungen Männern werfen, nervös und neugierig zugleich.



Und die Trauer holt mich ein, für den Moment, nimmt mich fest in den Griff. Schmerzhaft denn ich bin nicht darauf vorbereitet. Bin mir aber bewusst dass diese Trauer immer da ist, dicht unter der Oberfläche. In banalen Alltagssituationen kommt sie manchmal hervor doch ich weiß, dass sie auch wieder geht. Sich zurück zieht unter die Oberfläche und der Schmerz vorbei geht. Für eine Zeit.

Herta im April 2019

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