17 Jahre ist das nun her, der Anruf des SPZ, ein Ergebnis vom Gentest müsse besprochen werden, die ernsten Gesichter, die Diagnose Rett-Syndrom für meine 3jährige Tochter.
Und 16 Jahre sind vergangen seit der zweiten Diagnose. Friedreich Ataxie festgestellt bei meinem 10jährigen Sohn.
Durch Höhen und Tiefen in diesen Jahren komme ich doch eigentlich gut zurecht. Im Großen und Ganzen ok, akzeptiert, verarbeitet. Das Leben geht weiter, die Schwerpunkte verschieben sich, gefühlte Normalität stellt sich ein.
An einem ganz alltäglichen Morgen liegt ein weißes Blatt Papier im Briefkasten. Adressiert an meine 20jährige Tochter.
„Mehr Mitsprache für die Jugend – Misch dich ein“ ist das Motto. Der 1. Bürgermeister und der Jugendreferent der Gemeinde laden die Jugend zu einem Infoabend, Grußwort vom Bürgermeister, Workshop in Arbeitsgruppen zur Themenfindung „Wo drückt der Schuh – welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?“ Ergebnispräsentation und kurze Beratung „Gründet ein Jugendparlament!“
Anschließend Jugendpartytreff.
Für einen Moment sehe ich sie vor mir, meine Tochter. Wie sie aufrecht und kerzengerade an einem Rednerpult steht. Mit blitzenden Augen, wehendem blondem Haar, wie sie argumentiert und das Wort führt, mit Gesten ihrer Meinung Nachdruck verleiht.
Ich sehe sie kichernd mit Freundinnen zusammenstehen auf der Party danach, Blicke zu den jungen Männern werfen, nervös und neugierig zugleich.
Und die Trauer holt mich ein, für den Moment, nimmt mich fest in den Griff. Schmerzhaft denn ich bin nicht darauf vorbereitet. Bin mir aber bewusst dass diese Trauer immer da ist, dicht unter der Oberfläche. In banalen Alltagssituationen kommt sie manchmal hervor doch ich weiß, dass sie auch wieder geht. Sich zurück zieht unter die Oberfläche und der Schmerz vorbei geht. Für eine Zeit.
Herta im April 2019