Regression

Regression - der Schatten über uns
 
Wisst ihr was ein Damoklesschwert ist?
Ein zu erwartendes Unheil das stets über unseren Köpfen schwebt, unsere Gedanken beherrscht, uns bis in unsere Träume hinein verfolgt.

Unser Damoklesschwert beginnt zu schwingen an dem Tag, da wir die Diagnose "Rett-Syndrom" für unser Kind erhalten. Und somit erfahren dass eine Regression zu erwarten ist. "Ihr Kind wird gelernte Fähigkeiten einbüßen...."

Von nun an ist nichts mehr wie es war. Wir achten auf jede Veränderung. Dinge die unserem Kind nicht so gelingen, lösen Panik aus.

Diese gefürchtete Phase der Rückschritte zwingt uns zuzusehen, wie das eigene Kind Selbstverständlichkeiten verlernt wie Greifen, Sitzen, Laufen, Sprechen. Mit Beginn der Regression geht auch oft der soziale Zugang zum Kind verloren, Blickkontakt lässt sich kaum mehr herstellen. Die Mädchen zeigen sich unleidlich, quengelig, wütend und manche schreien Tage, Wochen, Monate fast ohne Pause.

Angst und Verzweiflung erfahren unsere Kinder wenn der Körper plötzlich den Gehorsam verweigert, die Hände nicht mehr greifen und halten können, die Beine nicht mehr tragen, der Mund keine Laute mehr bilden kann. Und sie rufen um Hilfe indem sie schreien.

Die Folge ist totale Isolation, Unfähigkeit sich mitzuteilen und Bedürfnisse zu vermitteln. Hilflosigkeit in allen Bereichen des Alltags. Rett-Kinder sind darauf angewiesen dass andere Menschen ihre Bedürfnisse erahnen. Wir alle sollten uns jeden Tag aufs neue bewusst werden, welche Verantwortung wir im Umgang mit nichtsprechenden Menschen tragen.

Und so erlebten wir mit Sofia die Regression, relativ spät erst mit 3 Jahren und 8 Monaten. Schleichend begann es und, wenn ihr mich fragt, den Anfang habe ich gar nicht mit bekommen. Doch irgendwann gab ich ihr einen Riegel Kinderschokolade in die Hand, eingepackt wie bisher immer, doch Sofia konnte die Schokolade plötzlich nicht mehr auspacken. Sie steckte den Riegel samt Papier in den Mund und versuchte so zu essen. Es zerriss mir das Herz vor Mitleid, ich heulte und saß nur da und packte ihr Riegel um Riegel aus. Sofia wird sich gewundert haben über diesen Berg an Schokolade... Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, so lange hatte doch Sofia schon keine Schlüssel mehr gegriffen und eingesteckt, und die Zehentasten an ihrem sprechenden Bären versuchte sie nun immer mit Draufbeißen zu betätigen statt wie früher durch Drücken mit dem Zeigefinger. Und dann begriff ich - es war geschehen.
Die Regressionsphase war eine Angelegenheit von ungefähr 4 Monaten. Im September konnte sie noch all diese Dinge, an Weihnachten nicht mehr. Auch das Überkreuzkrabbeln hat Sofia verlernt und einen Teil ihrer Sprache. Sitzen, Gehen, Laufen, Treppe, Klettern blieben erhalten.
In den folgenden Jahren ging die Sprache weiter verloren, aber nicht schlagartig sondern über Jahre langsam doch stetig. Geblieben sind einzelne Silben mit universeller Bedeutung und das Lautieren. Und lichte Momente wenn sich der Schleier für Sekunden hebt.

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